Geschichte: Das Ballon Mädchen Clara

von Stine Bergmann

Clara war aber kein normales Mädchen, oh nein. Sie war etwas ganz besonderes. Denn Clara wollte das bravste Mädchen der Welt sein. Und so tat sie immer, was ihre Eltern von ihr wollten. Müll runterbringen? Ja Mama!

Trödel nicht so. Entschuldigung Papa.

Wisch die Tafel. Natürlich Herr Lehrer. Und das mit einem Knicks.

Wenn irgendwo ein Schild steht „Rasen betreten Verboten“, „Hände Waschen“ oder „Nicht Anfassen“, dann hielt sie sich da dran. Und zwar genau. Wenn die Lehrer sie etwas fragten, sagte sie immer die Wahrheit, was ihr schon Früh den Ruf als Petze einbrachte. Sogar bei Tisch fragte sie immer, ob sie aufstehen dürfte, selbst wenn schon lange alle fertig waren.

Eines Tages saß sie mit ihren Eltern beim Abendbrot, als sie plötzlich pupsen musste. Zuerst kämpfte sie dagegen an. Doch dann überlegte sie . Dies hier war ihr Zuhause. Und sie war bei Menschen, die sie liebten, ihren Eltern. Warum also nicht? Und so seufzte sie und ließ ihn gemütlich fahren. Ihre Eltern fanden das zu ihrer Überraschung gar nicht lustig. Entsetzt schüttelten sie ihren Kopf. Nein, so etwas tat ein braves Mädchen nicht, wie ungezogen, also wirklich. Sie sei jetzt doch wohl alt genug, um sich zu beherrschen, oder? Clara lief knallrot an. Sie schämte sich zutiefst für ihre Ungehörigkeit und kam sich vor eine Schwerverbrecherin. Unter tausend Entschuldigungen und Tränen schwor sie, nie wieder zu furz…Nein, Nein so redeten brave Mädchen nicht: Nie mehr ein Lüftchen zu lassen. Ehrenwort! Und Natürlich hielt sie sich an ihr Versprechen.

Von nun an kniff sie die Pobacken zusammen, wann immer sich ein frecher Pups dorthin zu kriechen wagte. Um besonders brav zu sein, erlaubte sie sich nicht mal mehr das Rülpsen. Und sogar auf dem Klo erledigte ihre Geschäfte nur mit größter Vorsicht. Sie hatte es schließlich geschworen. Und Schwüre galten auch auf dem Klo. Es fiel ihr zwar nicht leicht, sich zu beherrschen. Doch da sie so brav war, hielt sie tapfer durch. Und es war nicht zu übersehen, dass ihr Verhalten Folgen hatte. Nicht nur, dass sie ein bisschen Bauchweh bekam. Wer hinsah, merkte, dass sie auch jeden Tag ein bisschen dicker wurde. All die Glasblasen sammelten sich in ihrem Körper und blähten sie natürlich immer weiter auf. Wo sollten sie auch hin? Als ihre Eltern das merkten, rümpften sie die Nase. Sie solle gefälligst auf ihr Gewicht achten. Anständige Mädchen hielten Diät. Und auch jetzt hörte sie natürlich auf sie.

Von da an lebte sie nur noch von einer Diät aus Bohnen. Und auch wenn das nicht lecker klingt, so wirkte es doch wahre Wunder. Sie wurde zwar nicht dünner, nein. Das Gas, das die Bohnen produzierten, blähte sie sogar noch schneller auf. Sie passte inzwischen passte sie nicht mehr durch eine Tür. Und ihre Finger sahen sie aus wie kleine Würstchen. Doch trotzdem zeigte ihre Waage ein bisschen weniger an. All das Gas war schließlich leichter als Luft. Und trotz ihres gewaltigen Umfangs trippelte sie leichtfüßig über den Boden. Auf dem Schulhof wurde sie, wenn sie lief, das Ballon-Mädchen genannt. Und wenn sie lief, sah sie aus wie eine Astronautin, die über den Mond spazierte.

Clara freute sich. Höher Höher! dachte sie. Ein bisschen mehr und ich kann fliegen wie eine Superheldin! Da kam ihr Geburtstag, Clara durfte sich ihr Lieblingsgericht wünschen. Als ihre Mama fragte, rief sie ohne zu zögern: Bohnen-Eintopf mit extra viel Bohnen! Sie aß den ganzen Topf allein. Nein, sie verschlang ihn regelrecht. Und aus Vorfreude konnte sie in dieser Nacht kaum schlafen.

Schon morgen konnte sie nicht mehr zur Schule gehen. Nein, sie würde fliegen! Und all das nur, weil sie besonders brav gewesen war! Und weil sie zwar gehorsam, aber nicht blöd war, hatte sie sich zur Sicherheit aus einer mit Nägeln gefüllten Plastikflasche und einer langen Kordel einen Anker gebaut, mit dem sie sich am Boden halten konnte. Sie band in an ihr Handgelenk und sank in süße Träume.

ENDE

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